Paradigmenwechsel in der betrieblichen Altersvorsorge

01.11.2021

Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) oder Beitragsorientierte Leistungszusage (BOLZ)


DIE ABWÄGUNG ÜBER DIE „RICHTIGE“ ZUSAGEART IN DER BETRIEBLICHEN ALTERSVERSORGUNG UND DEREN KONSEQUENZEN VERANTWORTET DER ARBEITGEBER!

Die betriebliche Altersversorgung (bAV) erfährt im Rahmen der Diskussion um Arbeitgeberattraktivität bei Mitarbeitergewinnung, -förderung und -bindung eine stetig steigende Aufmerksamkeit.
Aufgrund anhaltendem Niedrigzinsniveau und zunehmender regulatorischer Anforderungen wird jedoch die Verantwortung aller bAV-Beteiligten inzwischen intensiver hinterfragt. Zu beobachten ist, dass in Unternehmen die Grundlage dieser Thematik, die sogenannte Zusageart und die daraus resultierenden Verantwortlichkeiten, selten bekannt sind, obwohl bereits bei Einrichtung der bAV die Entscheidung hierüber zu treffen ist.

Arbeitgeber können zwischen verschiedenen Zusagearten wählen, wobei spätestens seit 2002 mit Einführung des Rechtsanspruchs von Arbeitnehmern auf Entgeltumwandlung, die Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) und die Beitragsorientierte Leistungszusage (BOLZ) die reine Leistungszusage fast vollständig abgelöst haben.


ABGRENZUNG ZWISCHEN BZML UND BOLZ

Die BZML wurde zum 01.01.2002 als Zusageart in das BetrAVG aufgenommen und war vor allem für den Pensionsfonds gedacht. Dabei verpflichtet sich der Arbeitgeber zur Zahlung eines bestimmten Beitrags in einen der versicherungsförmigen Durchführungswege Direktversicherung, Pensionskasse oder Pensionsfonds (nicht Unterstützungskasse). Der Arbeitnehmer erhält zu Rentenbeginn die sich daraus ergebende Versorgungsleistung. Dabei übernimmt der Arbeitgeber die Garantie, dass für die Altersversorgung mindestens die Summe der eingezahlten Beiträge abzüglich eventueller Risikokosten zur Verfügung steht.

Die BOLZ ist eine Variante der klassischen Leistungszusage. Diese Zusage wurde zum 01.01.1999 ins BetrAVG eingeführt. Sie wird vor allem in der Direktversicherung, in der rückgedeckten Unterstützungskasse und in der modernen Pensionszusage (wertpapiergebundene Zusage mit handelsbilanzieller Neutralität) genutzt. Im Rahmen der BOLZ steht die zugesagte Leistung, die sich aus dem i.d.R. vom Versicherer kalkulierten Tarif ergibt, im Vordergrund, nicht die Summe der eingezahlten Beiträge.


NACHFOLGENDER VERGLEICH ZEIGT BEISPIELHAFTE KRITERIEN FÜR DIE UNTERSCHEIDUNG DER ZUSAGEARTEN:


Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) Beitragsorientierte Leistungszusage (BOLZ)

Rechtliche Grundlage

§ 1 Abs.2 Nr.2 BetrAVG Seit 2002 § 1 Abs.2 Nr.1 BetrAVG Seit 1999

Arbeitsrechtlicher Inhalt und Garantieniveau

AG sagt AN zum Altersrentenbeginn ein Kapital auf Grundlage der gezahlten Beiträge und der daraus erzielten Erträge zu, mindestens in Höhe der Beitragssumme, soweit diese nicht für ein biometrisches Risiko verbraucht wurde. AG sagt AN eine Leistung zu, die aus den zugesagten Beiträgen und deren Umwandlung resultiert. Das Gesetz definiert keine Mindesthöhe!

Vorzeitiges Ausscheiden

AG schuldet zu Altersrentenbeginn das vorhandene Versorgungskapital, mindestens in Höhe der bis dahin gezahlten Beitragssumme, soweit diese nicht für ein biometrisches Risiko verbraucht wurde. Praxisstandard = Ansprüche des AN sind auf die aus der Versicherung zu erbringenden Leistungen begrenzt. AN hat das Recht auf Fortsetzung des Vertrages mit eigenen Beiträgen (vers. vertragl. Verfahren).

Rentenanpassung

Keine Anpassungsprüfung notwendig (§16 Abs.3 Nr. 3 BetrAVG). Anpassungsprüfungspflicht entfällt, wenn ab Rentenbeginn sämtliche auf den Rentenbestand entfallenen Überschüsse zur Leistungserhöhung verwendet werden (§ 16 Abs.3 Nr. 2 BetrAVG).

Beispiel

Jährlicher Beitrag von € 1.000,00 er-gibt nach 30 Jahren zum Rentenbeginn ein Mindestkapital von € 30.000,00 für den Arbeitnehmer. Jährlicher Beitrag von € 1.000,00 ergibt nach versicherungsmathematischen Grundsätzen in 30 Jahren zum Rentenbeginn eine Garantierente von z.B. € 125,00 für den Arbeitnehmer (je nach Versicherertarif).


EINSTANDSPFLICHT DES ARBEITGEBERS

Der Arbeitgeber muss für die Erfüllung der von ihm zugesagten Leistungen nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG einstehen (sogenannte Subsidiärhaftung). Die Einstandspflicht gilt unabhängig davon, ob er die bAV unmittelbar oder mittelbar (z.B. über Versicherer) durchführt.

Hintergrund ist, dass im Betriebsrentenrecht zwischen der arbeitsrechtlichen Grundverpflichtung und der externen Durchführung der bAV unterschieden werden muss. Die Grundverpflichtung ist hier die Zusage auf bAV. Der eingeschaltete Versorgungsträger/Versicherer ist seiner Funktion nach nur ein Instrument des Arbeitgebers zur Erfüllung seiner arbeitsrechtlichen Versorgungsverpflichtungen. Wenn die Leistung des Versicherers zu Rentenbeginn nicht ausreicht, hat der Arbeitgeber für die Differenz der von ihm zugesagten Leistung einzustehen (Nachschusspflicht).


PRAXISANSATZ

Die Subsidiärhaftung kann vertraglich nicht ausgeschlossen werden! Durch die Wahl der Zusageart und eines finanzstarken Versicherers kann die Haftung des Arbeitgebers jedoch weitestgehend reduziert werden.

Nach Berechnungen der deutschen Aktuarvereinigung kann bei der BZML im aktuellen Niedrigzinsumfeld ein Garantieniveau von 100 % der Beitragssumme unter Berücksichtigung von Kosten nur bei einem ausreichend hohen Zins, und dann auch nur bei ausreichend langen Laufzeiten erreicht werden. Bei einem Kalkulationszins von 0,5 % oder weniger ist ein Garantieniveau von 100 % der Beitragssumme und damit auch eine Beitragszusage mit Mindestleistung mit üblichen rechnungsmäßigen Kostenansätzen nicht mehr darstellbar!

Eine bestimmte Mindestleistung für die BOLZ bzw. eine 100%ige Beitragsgarantie kann weder dem Gesetz noch der Rechtsprechung entnommen werden. Inzwischen mehren sich die Meinungen, dass aufgrund des aktuellen Marktumfeldes bei der BOLZ eine Garantie auch unterhalb der Beitragssumme möglich ist und insbesondere dem Erfordernis der Wertgleichheit entspricht. Insgesamt ist für den Arbeitnehmer bei einer niedrigeren Garantie die Chance höher, einen tatsächlichen Wertzuwachs zu erzielen als bei der 100%igen Beitragsgarantie.

Viele Versicherer haben deshalb ihr Angebot entsprechend angepasst und bieten zunehmend Produkte mit 80 oder 90%iger Beitragsgarantie an. In Zeiten von dauerhaften Null- und Negativzinsen müssen Sicherheit, also Garantien und Renditechancen, also chancenorientierte Kapitalanlagen, sinnvoll kombiniert werden.

Aus diesen Gründen nimmt die Umsetzung von betrieblichen Versorgungswerken mittels der Zusageart „Beitragsorientierte Leistungszusage“ (BOLZ) kontinuierlich zu und entspricht unserer Empfehlung für die Beratungspraxis.


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